Montag, 21. Mai 2012

Schhhhhh...

2007 habe ich eine Menge Leute gebeten, an meinem Projekt "Stille Post" teilzunehmen. Meine Familie, Freunde, Kinder von Freunden, Bekannte, Kollegen, der Chef, flüchtige Party-Bekanntschaften, die Bäckerin von nebenan, fast die gesamte Belegschaft einer Stahlbaufirma, die Kellnerin aus dem Lieblingscafé und viele andere haben mitgemacht.

Alles begann mit einer Zeichnung von mir. (Eine Katzenfrau sitzt auf einem Holzsteg inmitten einer kargen Hügellandschaft. Es ist Herbst, und hinter dem einzigen, schon fast blätterlosen Baum geht die Sonne unter...)

Person 1 sollte meine Zeichnung mit Worten beschreiben, und zwar so genau, dass jemand anders danach ein Bild zeichnen könnte. Das vermutlich ungefähr so aussehen würde wie meins.
Person 2 sollte die Beschreibung von Person 1 zeichnen.
Person 3 sollte die Zeichnung von Person 2 mit Worten beschreiben.
Person 4 sollte die Beschreibung von Person 3 zeichnen.
Person 5 sollte die Zeichnung von Person 4 mit Worten beschreiben. 

Und so weiter und so fort.
Jeder Teilnehmer kannte nur den Text oder die Zeichnung, die derjenige vor ihm angefertigt hatte.

Neugierig, was dabei passierte? Bitte sehr... (Aber Achtung, laaaanger Post)



In der Nähe des Eingangs zur Hölle sitzt eine gelangweilte Teufelin
auf einer Brücke, die über den Fluss des Todes führt.
Die Brücke besteht aus losen Brettern und hat ein Dach,
das wie ein Spiegelbild des Himmels wirkt.
Dach und Boden sind an einer Seite über Streben verbunden.
Ein verdorrter Baum ist quasi der letzte Wink an die Toten,
die in Kürze in den schwarzen Schlund hinab gehen müssen...


Ein Park mit einer Hängebrücke,
die an einem Baum und einem Felsen befestigt ist.
Dahinter ein Tierpark mit Pinguinen und Hasen.
Mit künstlich hergestellten Felsen und einem kleinen Teich unter der Brücke.
Wälder, Wiesen und Frühlingsblumen.
Es ist ein Sonntagnachmittag, an dem viele Leute den Park besuchen.

 

Eine Landschaft, im Vordergrund Menschen auf einer Brücke über einen See.
Davor Wiesen.
Ein Hase, ein Pinguin.
Klarer Sonnenschein, hinten Wälder.
Das Paradies oder so etwas?


Ein Sonnentag in einer viel zu perfekten Gartenwelt oder Kulturparkanlage.
Ein Skulpturengarten mit moderner Plastik,
ein Osterhase oder Gnu, abstrakt dargestellt.
Ein Pinguin, der traurig herumsteht, weil er keinen Schnee hat.
Pinguine werden wegen des Klimawandels viele Probleme bekommen.
Vielleicht aber auch eher eine Möwe, vom Schnabel her.
Happy new world.



Eine Parkanlage mit ein paar Kaninchen, einer Eule oder schwarzen Krähe.
Ein kleiner Spazierweg, der sich dahinschlängelt,
mit Bänken zum Hinsetzen, spielende Kinder auf der Wiese,
ein kleiner Teich mit schönen Blumen neben einem großen Baum.
Ein schöner sonniger Tag.
Nur die Kinder machen Lärm, ansonsten ist es ruhig.
Im Hintergrund ein Meer mit einer Pyramide oder einem Berg,
der in der Ferne verschwimmt.
Es könnte aber auch ein religiöses Zeichen sein, ein Symbol,
unverständlich aber nicht bedrohlich, leicht.


Eine Pyramide, zu der ein Fluss führt.
Dahinter ein Ausschnitt vom Himmel, der auch Gebirge sein könnte,
ein Ausschnitt, der nicht dorthin gehört, wie eine Kulisse.
Links scheint die Sonne.
Vor der Pyramide eine Bank und im Vordergrund symbolhafte Kaninchen
oder Hasen und irgendwelche ägyptischen Hieroglyphen oder Augensymbole.
Ein Teich mit einer Ente, dahinter eine Kirche.
Bäume oder Felsen, wie Stonehenge.


Ein Sonnenuntergang mit Wolken am Himmel.
Am Anfang eines schlängelnden Weges, der im Nichts endet,
an einer Pyramide vorbei, vor der eine Bank steht,
am Anfang des Weges sitzt eine Ente,
die sich über ein großes strahlendes Auge freut.
Auf der anderen Seite sitzt ein Hase,
der auf das Auge guckt und denkt:
Das ist ein See mit einer Insel in der Mitte.
Die Straße hat eine Baustelle, die durch einen Bauzaun geschützt ist,
und ein Stückchen weiter steht ein Männlein mit einem Hund -
mitten auf der Straße.
Und das alles mitten in der Wüste.


Eine Bundesstraße in Süddeutschland oder der Schweiz,
mit Tunneln, abgesperrt, wahrscheinlich, weil an den Tunneln etwas ist,
auf den Tunneln Gebüsch und Grasreste,
am Anfang der Straße ein Schlagloch,
links der Straße Weinberge oder landwirtschaftlich bearbeitete Erde,
vor der Straßenabsperrung ein Feldhase, der die Straße überqueren möchte -
vielleicht ist er aber auch überfahren worden.
Hinter der Absperrung eine Person mit Hund.


Eine zweispurige Straße mit einer Tunnelausfahrt,
ein Blumenbeet,
eine männliche Person mit Schäferhund,
ein Gebirgshang,
ein Hase.


Ein Mann geht auf einer abgelegenen Landstraße
in einer seichten Berglandschaft mit einem Hund spazieren.
Der Hund entdeckt ein Schild, auf dem ein Playboyhase abgebildet ist,
der Mann ist in Gedanken vertieft.
Hinter den zweien liegt ein Tunnel.
Es gibt keinen Autoverkehr.


Ein Weg in einem Park.
Herrchen geht mit dem Hund spazieren.
Er läuft an einer gepflasterten Fläche vorbei.
Links eine Straße und Sträucher, rechts Rhododendronbüsche.
Der Hund streckt die Nase in den Wind und denkt an den Hasen,
den er jagen will.


 
Auf einem Weg geht ein Mann (oder eine Frau?) mit einem Hund Gassi.
Im Vordergrund ein Zaun.
Weiter hinten vielleicht Häuser, zwei Hähne, vielleicht ein Hase.
Mehrere Bäume, Wiesen, Pflanzen.


In einer ländlichen Idylle am Waldesrand steht ein Gehöft mit Scheune,
Obstbäumen oder Linden, mit zwei Türen, Vordertreppe
und Gardinen à la Otto-Versand.
Vom Nachbarhaus ist nur der Zaun zu sehen.
Auf einem Feldweg geht ein Mann mit Hut und Aktenkoffer
in einem dunklen Hemd und einer hellen Hose mit einem Hund spazieren,
der wie eine gefleckte Dalmatiner-Katze aussieht.
Hühner laufen über den Weg.


Die letzten Häuser am Rande einer Wohnsiedlung,
daneben fängt der große Wald an.
Hinten sieht man von weitem eine Stadt.
Es ist ein grauer, nicht sehr sommerlicher Tag.
Jemand geht mit seinem Hund spazieren.
Der Hund ist ganz wild auf den Vogel fixiert, der vor ihm läuft.


Ein Hund steht vor einem Wald am Alexanderplatz.
Ein Mann geht aus seinem Haus und trifft das Huhn mit seinem Hund.
Das Huhn kam aus einem Bürogebäude und fragt den Mann:
"Warum brennt dein Haus?"
Himmel.

........... und so weiter und so fort. 
Es geht noch lange weiter, und es passiert noch allerhand. 

Vielen herzlichen Dank noch einmal an alle, die damals mitgemacht haben,
auch die, deren Bilder und Beschreibungen hier nicht dabei waren.

15 Kommentare:

  1. eine suuuuper idee! und was dabei alles entstanden ist :)
    glg andrea

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  2. ...tolle Idee, die wir mal in einer Schule ausprobiert haben, war auch für die Schüler eine interessante Geschichte und alle waren mit großem Eifer dabei ;-)

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  3. Hochinteressant!! Muß ich bei Gelegenheit unbedingt auch mal ausprobieren.

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  4. tolle Idee! amüsant ist, dass der Hase (oder die Häsin) immer wieder mal verschwindet und wieder auftaucht… ein Zeichen, wofür auch immer?) liebe Montagsgrüsse!

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  5. Haha klasse Idee!!!! Wahnsinnig tolle Bilder und die Phantasie ist grenzenlos! Klasse was dabei heraus kOmmt ;-) würde gern das letzte Bild neben dem ersten sehen....
    Glg sandra

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  6. Das ist der Hammer! Wahnsinn. Ein super Projekt! Ich bin ganz sprachlos... LG, Annette.

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  7. Schöne Geschichte im Wandel. Vor vielen Jahren 1997 - oh weh, wie alt bin ich eigentlich? – habe ich in einem Projekt, in dem es um multilineares Erzählen ging, eine ähnliche Sache per Video gemacht. Also die Erzähler wurden per Video aufgenommen und jeder sah sich die erzählte Geschichte des Vorgängers an und musste sie mit eigenen Worte nacherzählen. Obwohl hier ja gar nicht so vel interpretiert werden konnte, wandelte sich die Geschichten unglaublich startk ... unendlich hätte es weiter gehen können :)

    Liebe Grüße . Tabea

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  8. Eine tolle Idee und unglaublich, was dabei alles durch Verwandlung entstanden ist. Besonders schön finde ich die Verwandlung des Teufels mit Dreiack in einen Osterhasen. Die Welt ist interpretabel. :-)
    Und wie sah die letzte Beschreibung und das letzte Bild aus?

    Ich wünsch Dir einen guten Wochenstart!
    Herzlicher Gruß,
    Katja

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  9. Das ist ja ohne Worte .... so ein toller post. Ich bin ganz fasziniert von den vielen Wandlungen....muss das jetzt gleich nochmal in Ruhe anschauen.
    GLG
    Annette

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  10. Das ist echt toll! Super interessant was bei so einem Experiement heraus kommt. Ich bin gespannt wie es weiter geht.

    LG
    Petronella

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  11. wow, was für eine außergewöhnliche idee und was für ein großes und großartiges projekt!!!!!

    einfach toll.

    danke, dass du es mit uns teilst!

    lg
    von einer faszinierten halitha

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  12. Liebe Frau Mond....ein tolles Projekt....wobei man diese vielen Menschen auch erst einmal dazu bringen muss....aber bei dir kein Problem. Sehr aussagekräftig....und interessant....und in guten zu schätzen wissenden Händen bei dir.
    Sei ganz lieb gegrüßt Yvonne

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  13. Liebe Frau Mond...ich würde so etwas zu einem kleinen Buch machen. Ich finde das nämlich schier fantastisch und unglaublich und ich würde gern wissen, wieviele Leute letztendlich bis jetzt daran teilgenommen haben - oder habe ich das überlesen? Bitte mehr davon!

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  14. Ein tolles Projet, ich bin begeistert und würde gerne mehr davon erfahren.
    Liebe Grüße Nina

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